ARCHIVIERT - Kulturministerin Nyssen: Europa durch Kultur gestalten [fr]
In einem Beitrag für die Tageszeitung Le Figaro vom 11. Oktober 2017 hat sich die französische Kulturministerin Françoise Nyssen für eine Neugründung Europas durch die Kultur ausgesprochen. Am Rande der Frankfurter Buchmesse stellte sie ihre Initiative ihren hier versammelten europäischen Amtskollegen vor.
Europa durch Kultur gestalten -Le Figaro 11.10.2017 |
---|
Der französische Staatspräsident hat die Neubegründung Europas zu einem Schwerpunkt seiner Amtszeit erklärt – zu einer Verantwortung für Frankreich und zur Aufgabe unserer Generation.
Die Kultur steht im Mittelpunkt dieser Neubegründung. Sie hält Europa zusammen und muss somit heute sein wichtigster Motor sein. So die Worte von Emmanuel Macron in Athen und erneut bei seiner Ansprache an der Sorbonne. Der Premierminister teilt diese Entschlossenheit und wird diese ehrgeizige Zielsetzung befördern.
Europa ist durch Kultur entstanden. Also muss es auch durch Kultur neu begründet werden. Das Europa der Institutionen konnte sich im vergangenen Jahrhundert entwickeln, weil dahinter eine Gemeinschaft von Ideen, Werten, Zielen, Schriften, Sprachen und Erinnerungen stand, die ihm Sinn verlieh. An dieses Wesen müssen wir wieder anknüpfen. Die Bürger sind es, noch vor den Institutionen, die Europa lebendig machen können. Wir werden in jedem Einzelnen das schlummernde europäische Bewusstsein wecken. Wir werden dieses Europa der Kultur wiederbeleben, um Europa durch die Kultur neu zu begründen.
Darum geht es bei den Initiativen, die ich heute meinen europäischen Amtskollegen am Rande der Frankfurter Buchmesse präsentieren werde, wo Frankreich in diesem Jahr Ehrengast ist. Das ist ein bedeutendes Ereignis für unsere Autoren und Verleger. Es ist aber auch ein wichtiger Moment für die deutsch-französische Freundschaft und eine Gelegenheit, unser gemeinsames Engagement für Europa zu bekräftigen.
Ich habe beschlossen, in diesem Rahmen ein informelles Treffen mit einigen meiner europäischen Amtskollegen zu organisieren. Ich werde ihnen heute eine Reihe von Vorschlägen präsentieren, die drei Grundprinzipien Europas mit Leben füllen sollen: Schutz, Freiheit und Solidarität.
Den Schutz brauchen wir, um das kreative Schaffen zu fördern. Das Europa der Kultur lebt in erster Linie von den Kreativen und Künstlern. Wir müssen den Schutz ihres Vergütungsmodells gewährleisten, das durch die Digitalisierung ins Wanken geraten ist. Eine wegweisende Richtlinie zum Urheberrecht wird derzeit verhandelt. Das Urheberrecht ist in Frankreich entstanden und wir verteidigen es mit aller Kraft. Ich werde meinen Amtskollegen in den kommenden Wochen die Unterzeichnung einer gemeinsamen Absichtserklärung zu diesen Themen vorschlagen. Ich werde die Ziele Frankreichs in Sachen Piraterie-Bekämpfung darlegen, damit dieses Thema auf der europäischen Tagesordnung ganz nach oben rückt – ich werde bis Ende des Jahres mehrfach nach Brüssel und Straßburg fahren, um mit den zuständigen Kommissaren und Europaabgeordneten darüber zu sprechen. Gleichzeitig will ich meine Amtskollegen für den Schutz des Kulturerbes gewinnen, nicht zuletzt für die Bekämpfung des illegalen Handels mit Kulturgütern. Im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres 2018 werde ich vorschlagen, die symbolischen Stätten unserer gemeinsamen Geschichte besser zur Geltung zu bringen, damit unsere Gebiete an Bedeutung gewinnen und belebt werden. Auch werde ich meine Amtskollegen für eine europäische Tagung zum Kulturerbe sensibilisieren, für die der Staatspräsident sich ausgesprochen hat.
Europa heißt auch Freiheit. Um das Europa der Kultur zu beleben, müssen wir die Mobilität von Bürgern, Künstlern, Kulturschaffenden und Werken von einem Land zum anderen rund um die Kulturstätten erleichtern. Diese Idee trägt einen Namen: Erasmus der Kultur. Um diesem Konzept erstes Leben einzuhauchen, werde ich meinen Amtskollegen vorschlagen, schon im nächsten Jahr ein Pilotprojekt um die Berufe des Kulturerbes auf den Weg zu bringen: Partnerschaften zwischen Museen etwa könnten die Mobilität der Konservatoren stärken. Um mehr Mobilität für die Bürger, und insbesondere für junge Menschen, geht es auch bei dem Vorschlag, einen „Europäischen Kulturpass“ einzuführen, über den ich mit meinen Amtskollegen aus Italien und Spanien gesprochen habe. Frankreich wird ab 2018 auf nationaler Ebene einen Kulturpass einführen. Ich schlage vor, dass wir hierzu im nächsten Jahr auch auf europäischer Ebene Überlegungen in Gang setzen.
Und schließlich bedeutet Europa Solidarität. Um das Europa der Kultur mit Leben zu füllen, werde ich anregen, dass wir unsere gemeinsamen Maßnahmen zur Übersetzungsförderung ausbauen, die für die Umsetzung des Leitspruchs der Europäischen Union „In Vielfalt geeint" wesentlich ist. Ich werde Vorschläge hin zu einer Aufstockung und wirksameren Verwendung der entsprechenden Fördermittel machen und drauf hinwirken, dass im Rahmen des Erasmus der Kultur auch die Mobilität von Übersetzern gefördert wird. Ferner werde ich meine Amtskollegen über meine Entschlossenheit informieren, in Frankreich die zahlreichen Kulturinitiativen für Flüchtlinge zu unterstützen – Sprachkurse, künstlerische Aktivitäten, Veranstaltungsbesuche. Alle europäischen Minister, die sich auf diesem Gebiet engagieren, können sich hier meiner Unterstützung sicher sein.
Diese Initiativen sind der Beginn eines umfangreichen Engagements. Die Geschichte hat uns gelehrt, dass es häufig die kleinen Schritte sind, die die größten Fortschritte für Europa bringen.
Wir haben heute zwei Möglichkeiten: Wir können „Europa gestalten“, wofür sich Julien Benda ausgesprochen hatte, oder zulassen, dass Europa an Gestalt verliert. Ich habe für unsere Mitbürger, für die kommenden Generationen beschlossen, Europa zu gestalten. Durch die Kultur